Gottesdienst: Was der Spiegel verschweigt

Die Ausstellung „Zeigen oder Verstecken – Was der Spiegel verschweigt“ wurde am  Sonntag 26.02.2023 im Rahmen des Gottesdienstes in Wort und Tanz in den Mittelpunkt gestellt. 

Pfarrer Werner Sonnenberg sprach über den Vers 1. Korinther 13,12: „Denn jetzt sehen wir nur ein rätselhaftes Spiegelbild. Aber dann sehen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke. Aber dann werde ich vollständig erkennen, so wie Gott mich schon jetzt vollständig kennt. Was bleibt, sind Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei. Doch am größten von ihnen ist die Liebe.“

Diesen Bibeltext und die zentralen Begriffe: Glaube, Erkennen, Hoffnung, von Angesicht zu Angesicht, Liebe –  brachten zu Beginn des Gottesdienstes 5 Tänzer*innen in einem improvisatorischen Tanz in Bewegung zum Ausdruck.

Dann sprach Werner Sonnenberg über den Blick in den Spiegel – er löst in uns eine Reaktion aus. „Es ist, als spräche der Spiegel mit stummen Worten: So siehst du momentan aus!  Doch wann gelingt uns selbst der wertfreie Blick auf uns? Wann schaffen wir es unser Spiegelbild nicht zu vergleichen – mit anderen, mit unseren scheinbar so wichtigen Vorstellungen, wie wir auszusehen haben, wie wir angeblich sein müssen?“

Pfarrer Sonnenberg betonte: „Gott lädt uns ein mit seinen Augen auf uns zu schauen – dankbar für unsere Individualität und Einzigartigkeit, liebevoll und wertschätzend mit Blick auf unsere blinden Flecken, wertfrei, um unsere von ihm geschenkten Talente zu entdecken.

Was bleibt, kommt nicht aus eigenen Stärken. Es kommt nicht aus Geld und Besitz, nicht aus Intelligenz und künstlerischer Begabung, auch nicht aus glücklichem Zufall und nicht aus frommen Gefühlen heraus. Es bedarf der Liebe Gottes, des tiefen Vertrauens in unseren Glauben und der Hoffnung mit allen Talenten ausgestattet zu sein, um ein Leben in Fülle gestalten zu dürfen…

Gott schaut uns an. Es ist sein Blick der Liebe. Sie bleibt und trägt, wenn all die Bruchstücke unseres Lebens versagen und verenden.“

Im Anschluss an die Predigt konnte die Gemeinde Teil eines Experimentes werden: „Tanzen im Gottesdienst, passt das denn zusammen? Was für die einen tiefe geistliche Erfahrung ist, ist für andere höchst fragwürdig. Lange Zeit war ja in unserer Kultur alles Körperliche aus dem Bereich der Religion verbannt. Besonderer Argwohn galt dem Tanz und seiner „gefährlichen“ Nähe zu Erotik und Ekstase. Spät erst und vorsichtig hat unsere evangelische „Kirche des Wortes“ die sinnliche, körperliche Dimension des Glaubens wieder für sich entdeckt – und damit auch den Tanz als eine der ursprünglichen Ausdrucksformen von Gotteserfahrung. Auch für das Evangelium gilt: Was innerlich bewegt, will äußerlich ausgedrückt werden. Was körperlichen Ausdruck findet, bekommt besondere Eindrücklichkeit. Die Christinnen und Christen Afrikas sagen es so: „Niemand kann dir nehmen, was du einmal getanzt hast“.

Dabei findet sich die geistliche Wertschätzung des Tanzens auch in der Kultur des Westens. Von dem Kirchenvater Augustinus, im 4.Jh.,  hören wir: „Ich lobe den Tanz, denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge und bindet den Vereinzelten zur Gemeinschaft.“

Diese verbindende, befreiende Erfahrung konnte die Gemeinde unter Anleitung der Tanzpädagogin Angelika Kirstein erleben. In einer Zeit der Stille hatte jede*r Gottesdienstbesucher*in die Möglichkeit, innere Schätze und Talente,  aufzuschreiben. Pfarrer Sonnenberg nahm zwei bis drei Zettel aus dem „Schätze-Korb“ und aus den Worten entwickelten die Tänzer*innen einen assoziativen Impuls-Satz, wie „Freude gibt mir ein Gefühl der Leichtigkeit“. Dieser wurde dann gemeinsam mit zwei Gemeindemitgliedern in den tänzerischen Ausdruck gebracht. Es entwickelten sich so drei intensive, gefühlvolle Tanzsequenzen: im Fluss der sich auf allen Ebenen bewegenden Körper entstand sowohl für die Zuschauenden als auch für die Tanzenden ein neuer, berührender, körperlicher Erfahrungsraum, der sensibilisierte für den liebevollen Blick auf uns selbst.